Ein Buch, das mir am Herzen liegt

Ab sofort im Handel

Wie ist das, wenn man als Kind sein Land verlassen und von heute auf morgen erwachsen werden muss? Wie kann ein junger Mensch schutzlos und allein überleben, wenn er brutalen und skrupellosen Verbrechern ausgeliefert ist? Was macht es mit einem Menschen, wenn auf Rettung die Ernüchterung folgt, nun verletzenden und rassistischen Strukturen ausgesetzt zu sein? Ist es möglich, all das hinter sich zu lassen und trotzdem ein Vorbild für andere Menschen sein zu wollen?

 „Ziggy Löwenherz“  gibt Antworten.
Hinter dem Pseudonym „Ziggy“ steckt mein Co-Autor, Dembo Fatty. Im Alter von 13 Jahren wurde er von seiner Mutter – einer unangepassten, außergewöhnlichen Frau –  auf die Reise geschickt, weil sie für ihn ein sicheres und glückliches Leben erhoffte.
Was er auf seiner Reise erlebte, hätte sie vermutlich nicht in ihren schlimmsten Albträumen für möglich gehalten. Dembos Geschichte ist nur in Teilen ein Einzelfall. Seine individuelle Geschichte endet, als er seine Heimat verlässt und beginnt erst wieder mit seiner Ankunft in Berlin.

Kennengelernt haben wir uns 2021 bei ubs e.V., umwelt, bildung, sozialarbeit. ubs e.V. ist ein Träger der Jugendhilfe, der in eigenen Großküchen und einer eigenen Konditorei junge Menschen für Gastronomieberufe ausbildet. Zum ganzheitlichen und sozialpädagogischen Lernangebot gehört eine Förderschule, in der das Berufsschulwissen vertieft wird und wo Sprachlerner:innen Deutschunterricht erhalten. Seit 2014 bin ich dort als Coach mit im Boot. Ich unterstütze die Auszubildenden mit vielfältigen Methoden dabei, ihre Stärken zu erkennen; Konflikte oder Krisen zu überwinden und Visionen für eine selbstbestimmte Zukunft zu entwickeln.

Ein Krafttier, das passt
Warum Dembo sich „Ziggy“ nennt, wird im Buch verraten. Den Beinamen „Löwenherz“ habe ich ihm gegeben, nachdem er im Rahmen einer Coachingeinheit einen Löwen als sein persönliches Krafttier malte. „Das passt“ dachte ich sofort. Er ist ein mutiger Kämpfer mit  wachem Blick für die Dinge, die um ihn herum geschehen und einem großen Herzen für seine Mitmenschen. Selbst dann noch, wenn sie ihm übel mitgespielt haben.

Wie das Buch entstand
Damals steckte Dembo in einer schweren Krise. Der als zuverlässig und fleißig geschätzte Auszubildende fehlte immer häufiger am Arbeitsplatz, war niedergeschlagen, müde und kraftlos. Alle Fröhlichkeit war gewichen, Ängste und Sorgen und raubten ihm den Schlaf. Wie viele Geflüchtete litt er an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einer Störung, die eintritt, wenn man Erlebnisse verkraften muss, die zutiefst erschütternd sind. Wer das Buch liest, bekommt einen Eindruck davon, was es bedeuten kann, Intrusionen zu haben – das sind bestürzende Bilder aus der Vergangenheit, die Menschen mit einer PTBS überfallen, wenn etwas an die Ursprungssituation erinnert.

Doch in diesem Fall kam eine besondere Belastung hinzu.
Nach vier Jahren ohne die Möglichkeit, mit seiner geliebten Mutter in Kontakt zu treten, war es ihm gelungen, sie über einen Facebook-Kontakt ausfindig zu machen. Auf die unbändige Freude folgte der Schock, dass sie an einer lebensgefährlichen Nierenerkrankung litt. Für die dringend notwendige Operation hätte sie in ein Nachbarland fliegen müssen, doch dafür fehlte das Geld. So kam es, dass Dembo sich innerhalb kürzester Zeit hoch verschuldete, um wenigstens Medikamente und eine gute Unterkunft für sie bereit zu stellen. Doch bei jedem weiterten Telefonat spürte er, wie ihre Lebenskräfte wichen. Und in dem Moment, wo es uns gelungen war, mit Hilfe einer NGO einen Krankenhaustermin zu ergattern, kam alle Hilfe zu spät. Frau Fatty starb am Tag vor ihrer Aufnahme.

Resilienz bedeutet, immer wieder aufzustehen
Für Dembo brach eine Welt zusammen. Er fühlte sich allein, verlassen, hoffnungslos. Und doch schaffte er es mit seiner bewundernswerten Stehaufmännchen-Qualität, diese schwere Krise zu überwinden. Seine Ausbildung schrittweise wieder aufzunehmen, über seine Erlebnisse zu sprechen, darüber nachzudenken, wie er seine Zukunft gestalten möchte. Sein Glaube und der Mut, sich auch grausamen Erinnerungen zu stellen, halfen ihm.
Irgendwann fragte ich ihn, ob er versuchen möchte, Teile seiner Geschichte aufzuschreiben, um sich zu entlasten.

Die Idee gefiel ihm, aber da er Lesen und Schreiben erst in Deutschland gelernt hat, bat er mich, sie für ihn zu schreiben. So kam es, dass Dembo mir seine Lebensgeschichte in die Tasten meines Notebooks diktierte. Bei jedem unserer Treffen hat er beinahe atemlos erzählt, nur unterbrochen von Nach- und Verständnisfragen, die ich ihm zwischendurch stellte. Fragen und Antworten sind in den Text eingeflossen, ohne dass er die klassische Form eines Interviews aufweist. Bei der Textüberarbeitung habe ich keine Inhalte verändert, lediglich Sprache, Grammatik sowie die zeitliche Struktur angepasst.

Zunächst haben wir uns mit positiven Erinnerungen beschäftigt. Das war ein wichtiger Prozess, der es ihm ermöglichte, sich vorsichtig an die schmerzhaften Erfahrungen heranzutasten. Beim Schreiben über belastende Ereignisse ist es unerlässlich, den Blick immer wieder auf die Selbstwirksamkeit, inneren Stärken und positiven Lebenserfahrungen zu lenken, um eine Retraumatisierung zu verhindern. Das Tempo und die jeweiligen Inhalte gibt die schreibende oder erzählende Person vor.

Demokratie und Bildung als Voraussetzung für ein gutes Leben
So kam es, dass ich während unserer Gespräche auch viel mehr über die afrikanische Kultur erfahren habe, als in diesem Buch untergebracht werden konnte. Sehr spannend waren auch die Gespräche, in denen Dembo unsere Kulturen verglich und in beiden Gutes wie Schlechtes entdeckte. Er hat sehr klare Vorstellung davon, was sein Land bräuchte, um demokratische Strukturen zu entwickeln und wirklich alle Bevölkerungsgruppen an einer positiven Veränderung teilhaben zu lassen. Demokratische Strukturen und Bildung spielen dabei eine zentrale Rolle.

Bitte im Schulunterricht einsetzen!
Auch wenn sich das Buch auf die Erfahrungen von Flucht und Ankommen beschränkt, bietet es viele Anknüpfungspunkte, um über die Bedeutung von Demokratie, Menschenrechte und Bildung zu reden. Deshalb wünsche ich mir für dieses Buch, dass es besonders von jungen Menschen gelesen wird und dass es von Lehrenden entdeckt wird, die es in ihren Unterricht einbinden. Es eignet sich sowohl für den Deutsch-, als auch den Ethikunterricht oder für die sozialwissenschaftlichen Fächer. Die Kapitel sind übersichtlich und kurz gehalten, die Schriftgröße ist angenehm und die Sprache kommt ohne Schnörkel und elaborierte Codes aus. Die englische Version kann von Schülern im Grundkurs ab Klasse 10 gelesen werden. Auf Anfrage steht Dembo auch ab Dezember gerne für Lesungen und Gesprächen mit Schüler:innen zur Verfügung.
Bestellt werden kann es direkt über den Verlag tredition. In den nächsten Tagen wird es auch im Buchhandel gelistet sein.
Für alle, die vorab hineinschauen oder es bestellen möchten, geht es hier entlang:
Deutsche Version: Ziggy Löwenherz

Englische Version: Ziggy Lionheart

Last not least bedanke ich mich an dieser Stelle herzlich bei Briand Bedford, der das Buch ins Englische übersetzt hat.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner