Plädoyer für mehr Offenheit im therapeutischen Miteinander  

Wenn es um die Berichterstattung über psychotherapeutische Dienstleistungen geht, bleiben Heilpraktiker für Psychotherapie meistens außen vor. Warum eigentlich?
Abgrenzungsverhalten ist nicht nur unsinnig, sondern schadet auch den Menschen, die dringend Unterstützung benötigen.

Approbierte Psychologen und Ärzte unterstellen uns Heilpraktier:innen für Psychotherapie (nachfolgend kurz: HPP) zu Unrecht, schlecht ausgebildet und inkompetent zu sein.
„Ich arbeite nur mit Profis“ oder „Sie haben ja nicht mal Psychologie studiert“, habe ich oft gehört, wenn ich mich als mögliche Kooperationspartnerin vorstellte und Unterstützung bei der Überbrückung von Wartezeiten auf einen Therapieplatz anbot.
Dass ich tatsächlich Psychologie studiert habe, allerdings meinen Abschluss in Soziologie gemacht habe und über therapeutische Zusatzqualifikationen verfüge, hat nach diesem Totschlag-Argument schon nicht mehr interessiert.

Unsere Ausbildung ist keineswegs eine Schmalspurausbildung, auch wenn sie verglichen mit einem Studium sehr kurz ist. Psychopathologie, Diagnostik und Therapieansätze werden intensiv vermittelt. Wie gut die Ausbildung war, zeigt sich spätestens bei der Prüfung vor dem Gesundheitsamt, an der keine Heilpraktiker:in vorbeikommt. Um sie zu bestehen, muss ein heftiges Lernpensum absolviert werden. Wer ungern lernt, hat keine Chance.

Was wir können und dürfen
Heilpraktiker:innen für Psychotherapie können eine Anamnese durchführen und  anschließend klären, ob ein Richtlinienverfahren notwendig ist, oder ob Coaching, eine Gesprächs-, Schreib- oder Kunsttherapie ausreichend ist. Wir verfügen über eine breite Palette an wirksamen Instrumentarien, mit denen wir arbeiten können. Zu welchen therapeutischen Strömungen es uns hinzieht, ist individuellen Vorlieben überlassen. Arbeit mit dem Inneren Kind, Aufstellungsarbeit, Entspannungs- und Körperarbeit sind nur einige weitere Beispiele. Unsere Methoden sind in der Regel stärker als klassische Richtlinienverfahren darauf ausgerichtet, Resilienz und Selbstwirksamkeit zu stärken.
Übrigens müssen wir aus ethischen wie rechtlichen Gründen bestimmte Krankheitsbilder an Psychiater oder approbierte Psychotherapeuten weiterleiten. Psychosen, schwere Depressionen oder schwere Traumata gehören dazu. Diese Regelung gibt den Patient:innen Sicherheit.

Was die Wenigsten wissen: Auch ein Psychologischer Psychotherapeut benötigt nach dem Studium Zusatzausbildungen, um therapeutisch arbeiten zu dürfen, um ins Kostenübernahmeverfahren der  Krankenkassen aufgenommen zu werden. Ein Psychologiestudium ist nämlich eine rein wissenschaftliche Ausbildung. Dennoch haben es  Uniabsolvent:innen leichter, einen Zugang zur Ausbildung in  sogenannten Richtlinienverfahren zu erhalten. Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, Fokaltherapie (das ist eine kürzere und mehr problembezogene Form der analytischen Therapie) und seit kurzem Systemische Therapien fallen in diesen Bereich. Nur diese werden von der Krankenkasse übernommen –   es sei denn, man hat eine Kasse, die auch teilweise Leistungen von Heilpraktiker:innen übernimmt.

Viele approbierte Therapeuten arbeiten neben ihren Richtlinienverfahren allerdings mit den gleichen Methoden wie wir  HPP´s auch. Wäre es nicht sinnvoll, wertschätzend und kooperativ miteinander umzugehen und Brücken zu bauen, wo es im Sinne der Patient:innen sinnvoll ist?

Therapiearbeit ist Beziehungsarbeit
In jedem Beruf gibt es gute und schlechte Profis. Ein Studienabschluss sagt wenig über die Qualität  einer Leistung aus. Besonders nicht, wenn man in einem Berufsfeld arbeitet, in dem es um Menschen geht. Empathiefähigkeit und die Fähigkeit, eine tragfähige Beziehung herzustellen, in der sich der Klient/Patient wohlfühlt und sich vertrauensvoll öffnen kann, ist ebenso wichtig, wie die eingesetzte Methode. Manchmal sogar wichtiger. Tatsache ist: Trotz verbesserter Gesetze ist es nicht unüblich, dass Menschen in Krisensituationen mehrere Monate auf einen Therapieplatz warten müssen.
Gäbe es dieses unsinnige Abgrenzungsverhalten nicht, könnte manch einem Menschen in einer psychischen Notlage schneller geholfen werden.

Monatelange Wartezeiten vermeiden

Ich wünsche mir für die Kommunikation über Hilfsangebote für psychisch Kranke und emotional Belastete, dass die Vorteile der Arbeit mit HPP´s deutlicher und fairer dargestellt, oder zumindest nicht länger verschwiegen wird:

  • In der Regel können wir schneller und unkomplizierter Gesprächsangebote unterbreiten, weil die Wartezeiten geringer sind. Meist können wir die Arbeit aufnehmen, sobald internistische Erkrankungen ausgeschlossen sind oder ein Arzt eine Unbedenklichkeit erklärt (z.B. bei der Beratung zu Suchterkrankungen oder Schlafstörungen)

  • Sollte sich herausstellen, dass ein Richtlinienverfahren sinnvoll ist, können wir die Wartezeit überbrücken. Beispielsweise erlernen Angstpatienten vor der eigentlichen Therapie ein Entspannungsverfahren – das können sie auch in einer HPP – Praxis, die Entspannungs- und Atemtechniken anbietet.
  • Da wir nicht mit der Krankenkassen abrechnen dürfen, sind wir auch in der Gestaltung der Therapieformen unabhängiger. Wir sind nicht an die Arbeit mit Richtlinienverfahren gebunden und können mit Verfahren arbeiten, die nicht im Richtlinienkatalog enthalten sind. Dazu gehören zum Beispiel Methoden wie Aufstellungsarbeit, Hypnosetherapie oder – wie in meinem Fall – therapeutisches Schreiben, Pilates oder Stand-Up-Paddling.

  • Für die Therapiestunden gibt es kein strenges Zeitbudget von 50 Minuten pro Therapieeinheit. Patient:innen und HPP´s können frei aushandeln, wieviel Zeit benötigt wird, um ein Problem zu besprechen. Auch Zusatzleistungen wie Telefonate zwischen den Sitzungen oder Betreuung per E-Mail  oder Chat können frei vereinbart werden. Patient:innen haben daher mehr Einfluss auf die Rahmenbedingungen von Therapie oder Coaching.
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